Finanzkrise – Hintergründe, Fakten und Ratschläge

Ein einfaches Geldmodell – so funktioniert Geld bzw. unser Geldsystem

Im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise ist Geld in aller Munde. Um die komplexen Mechanismen hinter der Krise zu verstehen, ist es wichtig, die Funktionen des Geldes an sich zu verstehen. Basierend auf einer Idee von Egon W. Kreutzer möchten wir daher an dieser Stelle das Geldsystem einfach erklären.

Grundversorgung und Tauschhandel

Wir gehen in unserem Geldmodell von einer Gemeinschaft aus, in der 20 Personen in vier Familien zu je fünf Personen leben. Die Mitglieder dieser vier Familien verfügen über die Ressourcen und Fähigkeiten, die Grundversorgung der Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Benannt nach ihren Berufen heißen die Familien Tischlerbauer, Weberschneider, Maurerfischer und Töpferschmied.

Die Gemeinschaft kennt kein Geld, Dienstleistungen und Waren werden untereinander ausgetauscht.

Einführung einer Währung

Der Tauschhandel hat einen Nachteil: Ständig muss ausgehandelt werden, was ausgetauscht wird. Wie viele Hemden bekommt der Tischlerbauer für einen Schrank vom Weberschneider? Was töpfert der Töpferschmied für zwei Forellen vom Maurerfischer? Die Gemeinschaft beschließt, eine Währung einzuführen, um die Geschäfte zu vereinfachen. Es werden pro Familie 1.000 Zettel beschafft, auf denen alle Mitglieder der Gemeinschaft bestätigen, dass es sich hier um einen Original-Geldzettel mit dem Wert ‚1‘ handelt. Solange sich an den Waren- und Dienstleistungsflüssen in der Gemeinschaft nichts ändert, sollten die 4.000 Zettel für immer ausreichen. Es gibt allerdings zwei Szenarien, die den Austausch stören könnten: Entweder das Preisgefüge stimmt nicht (z. B. wenn der Tischlerbauer für seine Kartoffeln zu hohe Preise verlangt) oder eine Familie fängt an zu sparen.

Ungleichgewicht durch Sparen

Die Gattin des Tischlerbauern hat ein ganzes Jahr kein Stück Bekleidung gekauft. Sie hat auch keine Töpferwaren erworben. Der Bauer hat sich dazu durchgerungen, auf den von ihm so geliebten Fisch zu verzichten. Stattdessen hat sich die Familie von den Erzeugnissen ihres eigenen Hofes ernährt. Nach einem Jahr sind alle 4.000 Zettelchen in der Hand der Familie Tischlerbauer.

Nun gibt es unterschiedliche Möglichkeiten für unsere Gemeinschaft:

  • Die Tischlerbauers erkennen die Folgen für die Gemeinschaft und verteilen die Zettel wieder gerecht unter den vier Familien.
  • Die Weberschneiders, die Töpferschmieds und die Maurerfischer verlassen Haus und Hof und suchen anderswo Arbeit und Lohn.
  • Die Weberschneiders, die Töpferschmieds und Maurerfischers rotten sich zusammen und holen sich mit Gewalt Brot und Wurst aus den Kellern der Tischlerbauern. Die Tischlerbauerfamilie leistet erbitterte Gegenwehr, wird aber besiegt und mit Schimpf und Schande davongejagt.
  • Das alte Geld wird von den Weberschneiders, Töpferschmieds und Maurerfischers für ungültig erklärt. Es werden viertausend neue Geldscheine verteilt und die alten Scheine werden zusätzlich im Verhältnis 4:1 in neue umgetauscht, so dass das Spiel mit jetzt 5.000 Stück Geld weitergehen kann.
  • Die Tischlerbauern erhören das Jammern ihrer Nachbarn und leihen jeder Familie 1.000 Scheine, mit der Auflage, nach genau einem Jahr je 1.100 Scheine zurückzuzahlen, womit der Zins erfunden wäre.

Folgen der Zinseinführung

Aus vorgefertigten Merkzetteln, die man sich zur Erinnerung und zum Nachweis darüber gab, dass zu einer Leistung noch die Gegenleistung fehlte, war ein eigenständiger, unabhängiger Wert entstanden, dessen Besitz plötzlich genauso wichtig war, wie der Besitz von Brot. Aus vier Familien mit gleichem Wohlstand und Lebensstandard ist in kürzester Zeit ein Szenario entstanden, in dem eine Familie, die mit ihrem Geldbesitz alles kaufen kann, drei Familien gegenübersteht, die verhungern müssen, wenn sie nicht schnellstens zu Geld kommen, obwohl sich am Arbeitsverhalten und der Produktivität nichts verändert hat. Nachdem die Familie Tischlerbauer nun Geld an die Mitglieder der Gemeinschaft verliehen hat, startet jede Familie mit 1.000 Einheiten in das neue Jahr. Alle wirtschaften vernünftig und nach einem weiteren Jahr hat wieder jede Familie 1.000 Zettel in ihrem Besitz. Die Familien sind also am Ende des Jahres in der Lage, ihre Schulden zurück zu zahlen. Für den Zins ist aber kein Geld mehr übrig. Woher sollte es auch kommen? Die Schuldner schlagen vor, einfach 300 neue Zettel zu schreiben, doch die Gläubiger-Familie Tischlerbauer lehnt das ab. Sie verlangt von ihren Schuldnern, so zu wirtschaften, dass Schulden und Zinsen zurückgezahlt werden können.

Die Situation wird dadurch verkompliziert, dass die anderen Familien sich von den Tischlerbauern ohnehin wieder Geld ausleihen müssen – sie haben ja nach Rückzahlung der Schulden nichts mehr übrig. Familie Tischlerbauer legt sich also ein Schuldbuch an, in dem genau notiert wird, welche Familie wann wie viel zurück zu zahlen hat. Auch auf die nicht gezahlten Zinsen werden nun Zinsen erhoben. Durch das Eintragen in das Schuldbuch wächst die Geldmenge in der Gemeinschaft – ohne dass neue Zettel geschrieben wurden. Obwohl es nach wie vor nur 4.000 Einheiten Geld gibt, haben die Tischlerbauern ein Vermögen, das nach dem ersten Jahr auf 4.300 Einheiten angewachsen ist und mit jedem weiteren Jahr dieses Systems weiter wachsen wird.

Die Frau des Maurerfischers wird nervös, sie hat sich lange mit ihrem Mann besprochen. Beide haben begriffen, dass dem Tischlerbauern auf diese Weise heute schon ein Teil der Fische gehört, die erst noch zu fangen sind. Verzweifelt suchen sie nach einem Ausweg aus dieser Situation. Letztendlich bieten sie der Familie Tischlerbauer an, ihnen Haus, Hof und das Fischerboot zu übereignen. Im Gegenzug müssen die Tischlerbauers die Schulden aus dem Schuldbuch löschen. Da sie vorerst im Haus wohnen bleiben müssten, bis ein neues errichtet wird, bieten sie den Tischlerbauers die Zahlung eines monatlichen Wohnzinses an. Die Familie Tischlerbauer stimmt zu.

Um nicht wieder in das Schuldbuch eingetragen zu werden, fängt nun die Familie Maurerfischer an zu sparen. Am Ende des Jahres ist das neue Haus fertig, die Miete für das alte Haus ist bezahlt und die Familie hat noch 1.500 Zettel. Beim Tischlerbauern aber weinen der Töpferschmied und der Weberschneider, weil sie diesmal weder die Zinsen, noch die Tilgung bezahlen konnten, was der Tischlerbauer mit großem Stirnrunzeln im Schuldenbuch vermerkt. Vorsorglich weist er schon einmal darauf hin, dass er im nächsten Jahr das Risiko, die 1.000 Zettel zu verleihen, wohl nicht mehr eingehen könne. Man müsse gemeinsam darüber nachdenken, ob nun nicht die Häuser übereignet werden müssten.

Aus einer einst ausgeglichenen Gemeinschaft ist so ein System aus gegenseitiger Abhängigkeit entstanden, in der verschiedene Mitglieder der Gemeinschaft unterschiedliche Voraussetzungen vorfinden. So funktioniert Geld einfach erklärt.

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Hintergründe zur Finanzkrise

Wie kam es zu unserer aktuellen Finanzkrise? Wie funktioniert Geld und welche Auswirkungen haben Zinsen? Können wir aus der Geschichte lernen? Auf den folgenden Seiten werden die Hintergründe der Finanzkrise und die ihr zugrunde liegenden Mechanismen aufgeschlüsselt und näher beleuchtet: